5. Zimmerreise 12/2021 mit Z wie Zuckerdose

2021-11-12 Einladung f. Zimmerreisen 12-2021 XYZEine letzte Zimmerreise geht noch!
Zur > 12. Zimmerreisen-Aufgabe mit X, Y und Z geht es in meiner 5. Zimmerreise 12/2021 um Gegenstände mit oder ohne Henkel, aber meistens mit Deckel, die in den letzten Jahren nicht mehr so recht gewürdigt wurden:
Z wie Zuckerdose.
Bisher hat anscheinend niemand über diese besonderen, im Allgemeinen solitären Teile des Kaffee- oder Teegeschirrs geschrieben, obwohl vermutlich jeder irgendwo eine Zuckerdose stehen hat. Oft sind sie neben den Kaffee- oder Teekannen eines Geschirrs die langlebigsten Teile, der Schwund unter den Tellern und Tassen ist meistens grösser.

In meiner Kindheit war die Zuckerdose auf dem Frühstücks- oder Kaffeetisch die beste Motivation, beim Abräumen zu helfen, denn in einem unbeobachteten Moment konnte man schnell mal den Deckel heben und ein Würfelchen oder einen Löffel voll Zucker mopsen. So selbstverständlich viele Süssigkeiten wie in jüngerer Zeit gab es für uns damals nicht, aber auch für die Erwachsenen gab es den teureren Würfelzucker oder gar weissen oder braunen Kandiszucker überhaupt nur, wenn Besuch kam.

2021-12-08 LüchowSss zuhause Zimmerreise 12-2021 Zuckerdose Viklleroy & Boch 'Petite Fleur' (1A)So ähnlich verhält es sich heute, Jahrzehnte später, auch bei uns im Haushalt: die Zuckerdose, die jeweils zu den aufgedeckten Kaffee- und Teetassen passt, kommt zusammen mit dem Sahnegiesser nur auf den Tisch, wenn Besuch da ist, wenn alle zur Frühstücks- oder Kaffeezeit gemeinsam am Tisch sitzen, statt sich lediglich in der Küche irgendeinen beliebigen Pott zurechtzumachen, wie sonst im Alltag.
Von dem mich schon seit den 80er Jahren begleitenden Villeroy & Boch-Geschirr „Petite Fleur“ haben sich in den letzten Jahren sogar drei Exemplare angesammelt, eines davon hat seinen Deckel verloren, und weil meine verstorbene Schwiegermutter zufälligerweise dasselbe Dekor sammelte, kamen ihre Teile später hinzu. – Zu Weihnachten kommen sie wahrscheinlich wieder alle drei auf den Tisch, eines mit Zucker, eines mit Kakao und eines mit Zimtzucker, aber sonst gibt es einen solchen Auftritt kaum.

2021-12-08 LüchowSss zuhause Zimmerreise 12-2021 Zuckerdose Villeroy & Boch Dekor 'Goslar' (3A)Eine weitere Zuckerdose mit einem handgemalten Dekor namens „Goslar“ gehört zu einem nur rudimentären, weil schon mehr als 60 Jahre alten Mokkageschirr vom Flohmarkt und kommt noch seltener zum Einsatz.
Es wurde seinerzeit mit „Villeroy & Boch, Mettlach, Saarland“ bezeichnet, zwischen 1949 und 1959 war es den Herstellungsbetrieben im Saarland als Teil der französischen Besatzungszone untersagt, Produkte mit „Made in Germany“ zu markieren; es musste „Made in France / Sarre“ oder kurz „Made in Sarre“ heissen. Weil die wirtschaftliche Angliederung an Frankreich noch bis zum 5. Juli 1959 bestand, liess sich davon das Alter ableiten, als ich das Geschirr auf dem Stadtflohmarkt in Neusiedl am See, im Burgendland, Österreich fand. Ich fand es zu hübsch, um daran vorbeizugehen. Es kommt nicht oft aus dem Schrank, aber immerhin enthält die Dose tatsächlich Zucker, nichts anderes.

Die Idee, über meine Zuckerdosen zu schreiben, hat mich nämlich nicht in Küche oder Wohnzimmer angesprungen, sondern beim Zähneputzen im Bad, während ich müssig über die drei auf dem nächsten Foto aufgereihten, zweckentfremdeten Deckeldosen schaute, die in der Reihenfolge 1. waschbare und wiederverwendbare, textile Kosmetikpads, 2. Zahnpulver (derzeit mit Ingwer und Zimt) und 3. plastikfreie Wattestäbchen beinhalten.
Als ich zum Jahresbeginn 2020 im Bad die plastikverpackten oder gar Mikroplastik enthaltenden Kosmetikartikel sowie die mit anderen fragwürdigen Inhaltsstoffen aussortierte, bot sich nach einigen Stunden des Vergleichens und Aufräumens auf einmal viel Platz. So konnte ich diese drei Stücke aus dem Schrank holen und sinnvoll verwenden, habe nun immer etwas Hübsches vor Augen und kann dabei an interessante Geschichten denken.

2021-12-08 LüchowSss Zimmerreise 12-2021 nicht nur Zuckerdosen (2)

1. Die rundliche Dose in Dunkelblau mit weissen Streublümchen ist in dieser Reihe die einzige „echte Zuckerdose“, ohne Löffel-Aussparung im Deckel, nämlich. Obwohl ich sie in den 80er Jahren in der Sendlinger Strasse nahe des Münchner Marienplatzes als Einzelstück gekauft habe, stammt das Stück Gmundner Keramik in der Form ‚Barock‘ im Dekor ‚Dirndl blau‘ aus Österreich. Gmundner Keramik aus dem Salzkammergut gehört traditionell zu den beliebtesten Geschirren in Österreich, und wären wir nicht schon mit meinem oben gezeigten, unverwüstlichen „Petite Fleur“ so gut versorgt gewesen, hätte ich während unseres Dutzends an Burgenland-Jahren uns wohl auch damit eindecken wollen. Dennoch erinnert mich der Anblick auch an meine Münchner Jahre.

2. Die mittlere Porzellan-Deckeldose ist eigentlich ein Marmeladentopf, mit Platz für den Löffel im Deckel. Die kleinere Zuckerdose mit geschlossenem Deckel und J-förmigen Henkeln, aus der ich als Kind den Zucker gemopst habe (s.o.) wurde vor Jahren leider von jemandem fallengelassen.
Die Porzellanfabrik Kalk in Eisenberg /Thüringen gibt es schon seit 1976 nicht mehr, die Produktion der Form mit Feston-Rand und dem Unterglasur-Dekor „Japan“ endete 1952. Jemand organisierte 1950/51 das Kaffeeservice gegen einen Sack Kartoffeln und ein Ferkel zur Verlobung meiner Eltern, abenteuerlich über die grüne Grenze, von West nach Ost. Ich habe aber keine Ahnung, ob es damals nagelneu war oder bereits jemandem privat gehört hat, das gaben die Familienerzählungen nie her. Ich hüte noch Reste davon: ausser der Zucker- bzw. Marmeladendose 4 Desserteller, 3 Untertassen, eine Tasse mit Sprung, 1 Sahnegiesser und 1 Kaffeekanne.

3. Zu der länglichen Bonbonniere von Jasba-Keramik aus Baumbach im Westerwald ist schnell erzählt, was ich darüber weiss, denn sie habe ich erst vor zwei oder drei Jahren auf einem Flohmarkt hier im Landkreis gefunden, in Gartow war es wohl. Die Laufglasur in Braun und Beige mit dem kleinen orangefarbenen Dekorklecks und etwas Grün am geschnörkelten Griff ist keine Uranglasur wie zur Zeit des Art Deco, man könnte in die Dose aus den 50er / 60er Jahren getrost auch Lebensmittel hineintun. Wieder waren es Kindheitserinnerungen, die mich zum Kauf verführten, an ähnliche Behältnisse in Stuben von Bauernhäusern, mit Zuckerzeug darin, von dem ich ein Stück nehmen durfte.

Mit Zuckerdosen, Zweckentfremdung und Zahnpulver schliesse ich also nun meine Zimmerreisen der 12. und letzten Runde. Morgen gibt es schon den Abschlussbeitrag, er ist schon vorbereitet. Wer noch rechtzeitig einen eigenen Beitrag dazu melden möchte: Bitte heute noch!

25 Gedanken zu “5. Zimmerreise 12/2021 mit Z wie Zuckerdose

  1. Was für ein toller Blogeintrag! Ich überlege ernsthaft, mich davon inspirieren zu lassen und selbst einen Eintrag zu meinen – lass mich überlegen – drei Zuckerdosen zu schreiben. Einfach nur so, nicht als Zimmerreise, meine ich. ;) Mal sehen, vielleicht komme ich heute Nachmittag dazu. Oder morgen.

    In deine süße, runde, dunkelblaue Zuckerdose aus Gemündener Keramik habe ich mich schockverliebt! Boah, ist die schööön!

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  2. Finster, mag schon sein. Man darf sie nicht in die Umgebung stellen, für die sie gedacht war, nämlich die dunklen Möbel der 30er und 40er Jahre, die, weil sie erstens dauerhaft waren und zweitens kein Geld für Neuanschaffungen da war, noch in den 60ern überall anzutreffen waren. Auf Weiß mit Licht drauf sieht das schon anders aus ….

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    • Ja, genau so ist das. Ich verband sie anfangs immer mit diesen Wohnzimmern, in denen ich sie in der Kindheit sah. Und gerade als ich den Artikel schrieb, dachte ich, dass ich sogar einige dieser Möbel wieder hinstellen würde, sie wirkten nur in der Menge und in der Assoziation der Umstände eine gewisse Zeit lang unschön.

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      • Meine Schwester hat das probiert, als sie in den 90ern ein Haus in Sachsen gekauft hat. Nach der Wende waren da die alten, sehr soliden Möbel spottbillig zu haben. Aber so recht anfreunden konnte ich mich mit der Einrichtung dann doch nicht, der dunkle Geist haftet ihnen irgendwie auch in sonnigen, weissgestrichenen Räumen mit hellem Holzboden an …

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  3. Das sind alles so schöne Dosen! Ich dachte eben noch, ja, entweder bleiben Zuckerdose und Sahnegießer übrig oder es ist genau umgekehrt und sie fehlen zuerst, weil sie kaputtgegangen sind. Ich mag diese Zweckentfremdung. Die Dosen sind einfach schön und ich würde sie auch für andere nette Dinge verwenden. Heute ist man im reinen Zuckergebrauch ja erheblich sparsamer ;-) Die ersten beiden bunten gefallen mir am Besten, aber auch die anderen drei haben etwas. Während ich in jungen Jahren derlei Dinge gar nicht mochte, liebe ich sie heute umso mehr und greife auf Flohmärkten oder andernorts auch gerne zu.

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    • Manche trinken nichtmal mehr zuhause zubereiteten Kaffee sondern immer nur 2go und die armen Zuckerdosen bleiben im finsteren Schrank! Es gibt bestimmt viele Möglichkeiten, eine Zuckerdosensammlung sinnvoll einzusetzen, je nachdem, wie gross die Behältnisse sind. Und dann gibt es noch die schönen Bonbonieren und Keksdosen aus Keramik …

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