Nicht zu vergessen: die Fliegen

Schwebfliegen finden Beachtung, aber die vielen anderen Fliegen werden von den meisten nicht beachtet. Dabei gibt so viele verschiedene und interessante Arten, dass man sich beim Suchen in der Vielfalt verlieren kann. Vor allem bei den einander so ähnlichen grauen Fliegen mit roten Augen, bei denen ich zwar Unterschiede in den Proportionen, anderen Beinlänge oder Abweichungen von Mustern sehe, muss ich am Ende überwältigt aufgeben.

Bilder 1 + 2: Diese beiden sind doch nicht gleich? Die Flügelhaltung stimmt überein, die Grösse mag hinkommen, aber der Kopf mit den Augen ist einander nicht einmal ähnlich. Männchen und Weibchen sind bei Fliegen zwar oft gerade um die Augen herum sehr verschieden, aber … nächstes Beispiel, wieder Schwarzgrau mit roten Augen:

Bilder 3 + 4: Die Flügelhaltung ist anders als oben, aber einander gleich, die beiden Fliegen sassen beide am Bauernjasmin. „Bild 3“ wirkt schlanker, dunkler und grobborstiger: es könnte irgendeine Raupenfliegen-Art sein. Auf Bild 4 ist ungewiss, ob der Hinterleib grau ist. Ich habe eilig fotografiert und hoffte, vielleicht später …, aber: nein.
Die nächsten beiden Fliegen schimmern eindeutig metallisch, die eine grün, die andere blau:

Bilder 5 + 6: Goldfliegen wie vom 5. Bild gehören zur Familie der Schmeissfliegen. Lucilia-Arten kommen fast weltweit vor. Ob Lucilia sericata oder nicht, kann man so nicht erkennen. Blaumetallische Fliegen gibt es nicht nur unter den Schmeissfliegen, und die von Bild 8 ist auch keine, Eudasyphora cyanicolor gehört zu den sogenannten Echten Fliegen Muscidae, sie kommt ebenso fast überall vor und sie überwindern als Imago. Ihre Nahrung? Nicht gefunden.

Bilder 7 + 8 sind als Langbeinfliegen unverkennbar. Sie sind nur 5 bis 7 mm klein und leben räuberisch von Kleinstinsekten. Dolichopus ungulatus auf Bild 7 ist männlich, besitzt am Hinterleibsende eine weisse Zange mit schwarzen „Zähnen“ für den Halt bei der Paarung, die in Ruhestellung unter dem Hinterleib verborgen ruht. Die zweite Langbeinfliege ist weiblich, aber gehört sehr wahrscheinlich zu einer Poecilobothrus-Art aus derselben Familie.

Bilder 9 + 10 zeigen zweimal ein- und dasselbe Tier, eine Gestreifte Habichtsfliege Dioctria linearis; sie war im blühenden Goldspindelstrauch zugleich perfekt getarnt und mit kleinen Blütenbesuchern gut versorgt. Die Raubfliegen fliegen schon ab Mai, haben ihre Hauptzeit aber im Juni / Juli, und diese war die erste, die ich bisher sah.
Auch die nächsten beiden Fotos habe ich von zwei verschiedenen Seiten desselben Individuums aufgenommen:

Bilder 11 + 12: Auch dieses ist eine räuberisch lebenden Fliege, die Kleine Raub-Hausfliege Coenosia tigrina. Wegen dieser Fähigkeit wird sie sogar in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Ansonsten kommt sie vor allem an Waldrändern und Feuchtwiesen vor, und misst wischen 4,5 und 7 mm. Das trifft auch auf die beiden nächsten hellgraue Fliegen zu, aber es geht vielleicht zu weit, hier Verwandtschaft zu mutmassen:

Bilder 13 + 14 – die beiden bleiben also nur andeutungsweise Richtung Coenosia spec. gedacht, aber unbenannt. Das Gesicht der zweiten Fliege auf Bild 14 erinnert mich an die Totenkopfmaskeraden vom mexikanischen ‚Día de los muertos‘ – die ganze Sucherei und Vergleicherei verursacht wahrscheinlich den Wunsch nach Ablenkung.
Die nächsten beiden Fliegen sind völlig unterschiedlich, aber beide weisen so einen gewissen Flausch auf:

Bilder 15 + 16: Zuerst ist ein braunes Exemplar aus der Gattung der Stilett- oder Luchsfliegen Therevidae zu sehen, eine Gewöhnliche Stilettfliege Thereva nobilitata (Bild 15), wahrscheinlich ein Männchen. Die zwischen 9,5 – 13,5 mm grossen Fliegen leben gewöhnlich in trockenwarmen Gebieten Europas und Kleinasiens. Ihre Larven leben im Boden räuberisch von Käfer- und anderen Insektenlarven, bei der Ernährung der Imagines ist bisher nur von „Nektar und anderen flüssigen Substanzen“ die Rede. Die andere hat einfach nur schöne Augen, viel mehr sieht man ja nicht.

Bilder 17 + 18 gehören thematisch zusammen, weil die beiden kleinen Fliegen neben den so häufig vorkommenden schwarzgrauen Leibern und roten Augen etwas zeigen, was auf den anderen Fotos noch nicht zu sehen war, nämlich die im Regenbogenspektrum schillernden „Strukturfarben“ der Flügel, von denen ich bei Gerhard (Kopf und Gestalt-Blog) schon so viel gelesen habe. Mit dem Begriff sind Farben gemeint, die nicht durch Pigmente vorgegeben sind, sondern durch die Beschaffenheiten von Oberflächen das Licht brechen und somit farbig reflektieren.

Die Fotos sind alle zwischen dem 26. Mai und dem 3. Juni 2020 entstanden, im Garten, Lüchow im Wendland, Lüchow-Dannenberg, Niedersachsen. Bitte die kleinen Bilder zum Vergrössern anklicken.

15 Gedanken zu “Nicht zu vergessen: die Fliegen

  1. Du weißt vielleicht, dass mich bei den Fliegen insbesondere die Strukturfarben (transparente Flügel und Chitinpanzer) interessieren. Die Interferenz bei den Flügeln ist bei den unteren schön zu sehen. Beim rechten Foto sieht man, dass für die Sichtbarkeit auch ein geeigneter Hintergrund wichtig ist. Die Farben sind nur vor dem Hintergrund des dunklen Körpers zu sehen. Wieder eine sehr schöne Serie!

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  2. Überwältigt von den diffizilen Unterschieden, Gemeinsamkeiten und doch wieder leicht divers…ach so. Trotzdem die volle Ladung fliegender Fliegen…
    Ja, fundierte Bilderserie – schön.
    Werden der Frau P. Fliegen manchmal lästig oder wedelt sie die einfach mit irgendwas weg? Oh, mir fallen diese fiesen Waldbremsen ein :-(

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    • Die Zeit der Fliegenbelästigung ist seit einigen Jahren schon vorbei, ich vermisse sie, um der Schwalben willen, denn die sind auch kaum noch vorhanden. In diesem beginnenden Sommer bin eher ich diejenige, die Fliegen aufsucht, als umgekehrt, sie mich.

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  3. Ich nehme sie durchaus wahr, ich mag viele Fliegen sogar, aber ich glaube, ich mag gar nicht erst groß suchen, weil die Vielfalt wirklich erschlagend ist. Auch gerade die kleineren Arten motivieren mich nicht besonders, mich auf die Suche zu begeben, aber nach deinem Plädoyer werde ich in Zukunft etwas mehr drauf achten. Die Vielfalt finde ich allerdings immer beeindruckend. Apropos suchen: gestern gucke ich nach Grabwespen, um festzustellen, daß ich einige von denen für Schlupfwespen gehalten hätte, seufz! Da fange ich mit den Fliegen noch gar nicht an ;-)

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    • So unterschiedlich. Ich finde es herausfordernd, bei besonders spannenden Arten befriedigend, aber irgendwann schliesslich auch erschöpfend. Dann brauche ich für so einen Beitrag eben drei Tage und mache zwischendurch etwas Einfacheres, das schneller geht, zur Entspannung (aller, natürlich ^^) .

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  4. Das ist eine schöne und gekonnte Übersicht. Sehr schön!

    Mit der Klassifizierung ist es nicht leicht, da bing .com ja keine Grössenverhältnisse kennt.

    So eine Übersicht wollte ich auch mal anfertigen.Aber das ist echte Arbeit!
    Heute wieder eine neue winzige Fliege aufgenommen. Man weiß garnicht, ab wann es keine Fliegen mehr geben kann, etwa ab 1 /10 mm?? I don’t know.
    Bei deinen Bildern auch auffallend die Kopfposition, manchmal „tief unter dem Buckel“ – denn das ist oft etwas ungewöhnlich und hilft möglicherweise zu bestimmen.

    Fliegen sind oft schwarz und grau. Die roten Augen bemerkt man kaum. Der Natur dürfte das egal sein, ob sie superbunt sind. Die Taufliegen z.B. sind recht ordentliche Geschöpfe, Auch 8 und 12 sind schön, wennauch sie das Farbspektrum sparsam ist.

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    • Danke, Gerhard. Buntes oder nur teilweise Starkfarbiges und Schimmerndes ist offenbar als eine gute Tarnung in der Vielfalt der vegetationsreichen Natur geeignet, ich halte es nicht für sinnlos.

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  5. Was für ein schöner und lesenswerter Beitrag, angefangen vom Titel (nicht zu vergessen) über die Vergleichsfotos bis hin zu deiner intensiven Recherche. Fliegen können so unterschiedlich sein und man kann ganz wundervoll spannende Bilder von ihnen machen, aber die Bestimmung … :-) Danke für die unterhaltsame Morgenlektüre.

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    • Vielen DanK! Ich sehe schon, du betrachtest sie ähnlich interessiert :-)
      Ich finde, sie haben Aufmerksamkeit und Anerkennung ihres Wertes in der uns umgebenden Natur nicht minder verdient wie beispielweise die Bienen. Wenn letztere durch ihre Bestäubungstätigkeiten direkt für den Menschen „arbeiten“, tun das manche Fliegen auch, und darüber hinaus sind sie die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Grossteil der heimischen Vögel seine Jungen aufziehen kann.

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